Digital, disruptiv und dynamisch: Die Transformation der Automobilbranche – Teil 1
Fahrzeughersteller und Zulieferer stehen vor einer Zeitenwende, die von den Megatrends Connectivity, E-Mobility und Autonomy gekennzeichnet wird. Vernetzte Technologien verändern die Automobilwirtschaft nachhaltig und beschleunigen die Entstehung neuer Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten. Welche Bereiche bieten die größten Chancen?
2020 war in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmejahr. Insbesondere in großen Städten waren zeitweise deutliche Auswirkungen auf den Verkehr hinsichtlich des geringeren Verkehrsaufkommens erkennbar. In den zehn belastetsten Städten (darunter u.a. in Frankfurt, Düsseldorf und München) sank die tägliche Fahrleistung um 12 bis 25 Prozent (Quelle). Doch auch, wenn in Zeiten der Corona Pandemie ein deutlicher Rückgang des Berufsverkehrs zu beobachten war, der auf allgemeine Beschränkungen, Home-Office und Kurzarbeit zurückzuführen ist: Die digitale Transformation in der Autoindustrie nimmt immer mehr Fahrt auf. Im Fokus steht dabei die Entwicklung digitaler Plattformen, mit denen sich Dienste im Internet of Things und mit der Distributed-Ledger-Technologie realisieren lassen, deren bekanntester Vertreter die Blockchain ist. Innovative Finanzdienstleistungen, die über digitale Ökosysteme vermarktet werden können, gelten als wesentlicher Schlüssel zur Erreichung dieses Ziels. Leicht monetarisieren lassen sich zum Beispiel digitale Tools für die Kaufabwicklung, Finanzierung oder Wartung, aber auch Fahrassistenten und andere Features, die Autobesitzer mit einem kostenpflichtigen Software-Upgrade freischalten können. Zudem werden bald die ersten Terminals verfügbar sein, an denen Connected Cars eigenständig Zahlungen auslösen können.
Digitale Plattformen: Monetarisierung von Fahrzeugdaten
Das vernetzte Fahren gilt als Game-Changer mit enormem Business-Potenzial. Schon heute sind die meisten neuen Automobile smarte Computer auf Rädern, die mit jedem zurückgelegten Kilometer Daten sammeln. Bislang werden diese Informationen jedoch kaum genutzt, weil ihre Übertragung aus dem Fahrzeug aufwendig und teuer ist. Zudem existieren noch keine zugkräftigen Geschäftsmodelle für die Verwertung der Daten. Die Verbindung von Unternehmen, Fahrzeugen und Kunden auf der Basis fortschrittlicher Technologien kann erhebliche Mehrwerte schaffen. Die gesammelten Daten lassen sich per Funk an digitale Plattformen übermitteln oder mit Objekten in der Umgebung teilen. Der Aufbau der entsprechenden Ökosysteme ist eine elementare Voraussetzung, um datengetriebene Geschäftsmodelle zu realisieren.
On-Demand-Mobility: Intelligente Mobilität als Geschäftsfeld
2050 werden etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben – doppelt so viele Menschen wie heute. Stadtplaner stehen vor der Herausforderung, die Verkehrsströme zu verbessern und neue Formen der Mobilität zu fördern. Dabei kommt dem Fleet Management eine Schlüsselrolle zu. Schon heute werden in Deutschland zwei von drei Neuwagen an Firmenkunden verkauft. Die weltweit wachsende Nachfrage nach Konzepten der On-Demand-Mobility stellt die Automobilhersteller vor die Frage, ob sie künftig in erster Linie Fahrzeuge an Flottenbetreiber liefern oder zum Anbieter komplexer Mobilitätslösungen werden wollen.
In der Vergangenheit konzentrierte sich das Serviceportfolio von Flottenbetreibern vor allem auf Leasing, Reparatur und Wartung. Dazu wird in naher Zukunft die Einbindung von Mobility-as-a-Service-Angeboten und personalisierten Diensten für den Kunden kommen, etwa beim In-Car-Entertainment. Die zunehmende Verlagerung vom Eigentum zur Nutzung wird den Neuwagenverkauf Richtung Corporate Channel verschieben. Klassische Kauf- oder langfristige Leasingverträge werden zunehmend durch flexible Vereinbarungen ersetzt, die Finanzierung, Versicherung, Wartung und weitere Dienstleistungen umfassen. Am Ende werden diejenigen Unternehmen, die einen lückenlosen Mobility-Mix mit fortschrittlicher Customer Experience anbieten können, zu den Gewinnern im Wettstreit um den Kunden zählen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt hier nicht nur in der Vernetzung aller verfügbaren Mobilitätsangebote, sondern ebenso in starken Cross-Selling-Partnerschaften und der Bereitstellung von Microservices, die Reisenden einen Mehrwert bringen.
On-Demand-Functions: Ausstattungspakete auf Abruf
Als weiterer wichtiger Baustein im Erlös-Mix der Zukunft gelten Fahrzeug-Funktionalitäten per Klick. Ein aktuelles Beispiel aus dem Volkswagen-Konzern zeigt, wie sich mit diesem Konzept die Wertschöpfung vom industriell gefertigten Produkt zu digitalen Services verlängern lässt: Für den Audi e-tron können nach dem Kauf Ausstattungspakete mit unterschiedlichen Laufzeiten aus den Bereichen Licht, Fahrerassistenz und Infotainment erworben werden. Nach Abschluss des Buchungsvorgangs wird das signierte Datenpaket über eine Mobilfunkverbindung an das Fahrzeug gesendet, die Übertragung dauert nur wenige Sekunden. Dieses Szenario zeigt: Die Customer Journey, die früher ein linearer Weg mit klar definierten Start- und Endpunkten war, sollte in digitalen Ökosystemen durch Interaktionen mit dem Besitzer ersetzt werden, die sich über den gesamten Lebenszyklus des Autos erstrecken.
Future-Marketing: Auto-Flatrates und digitale Antragsstrecken
Wenn die Auswertung komplexer Daten in den Mittelpunkt von Business-Konzepten rückt, dauert es in der Regel nicht lange, bis die traditionellen Marktteilnehmer von Digital-Playern wie Google oder disruptiven Startups bedrängt werden. Deshalb müssen die Autohersteller mit eigenen Absatzkanälen im Web dagegenhalten. Ein neues Konzept sind Flatrates, wie man sie aus der Mobilfunkbranche kennt: Neben der Fahrzeugnutzung sind häufig auch die Versicherung, Kfz-Steuer und Inspektionen in den Abo-Angeboten enthalten. Zusätzlich bezahlt werden müssen lediglich verbrauchsabhängige Kosten wie das Tanken oder Laden. Manche Autofirmen bieten sogar die Option, während der Vertragslaufzeit das Fahrzeugmodell zu wechseln. Die Buchungsprozesse laufen komplett über das Internet. Damit wird die Auto-Flatrate zur flexiblen Alternative für Kauf, Leasing oder Finanzierung. Eine weitere attraktive Möglichkeit für die Hersteller, ihre Vertriebskosten zu senken, bieten vorkonfigurierte Antragsstrecken im Netz: Wer beim Händler oder online ein Fahrzeug erworben hat, kann über ein Webportal direkt passende Finanzprodukte auswählen und abschließen, etwa eine Garantieverlängerung oder Anschlussfinanzierung.
Weitere spannende Chancen für die Autobranche beleuchten wir im nächsten Artikel. Dort erfahren Sie mehr über innovative Technologien und Geschäftsmodelle, darunter den Trend zum Autonomen Fahren und Kluge Assistenten im Fahrzeug.